Jahresrundbrief 2014/2015
BGT-Mitglieder-Rundbrief zum Jahreswechsel 2014/2015
Liebe Mitglieder,
inhaltlicher Schwerpunkt unserer Arbeit war im vergangenen Jahr die Frage der Vereinbarkeit von UN-BRK und Betreuungsrecht. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Wir halten das Betreuungsrecht für UN-BRK-konform, nicht aber die Rahmenbedingungen (Ausstattung der Gerichte und Behörden, Beratung und Unterstützung der ehrenamtlichen Betreuer und Vorsorgebevollmächtigten, Finanzierung der Vereine sowie Vergütung der beruflichen Betreuung).
Der BGT-Vorstand hatte am 15. September 2014 in seiner Stellungnahme "Unterstützen und Vertreten" festgestellt: Das Betreuungsrecht bindet das Handeln des Betreuers an die erkennbare oder ermittelbare Selbstbestimmung des betroffenen Menschen und an das Erforderlichkeitsprinzip (§§ 1901, 1901a BGB). Der Betreuer hat deshalb den betreuten Menschen vorrangig bei dessen eigenem Handeln zu unterstützen und darf ihn nur vertreten, soweit dies erforderlich ist. Die Stellvertretung des Betreuers dient somit dazu, den Willen des betreuten Menschen und seine Wünsche nach eigener Lebensgestaltung zu kommunizieren und umzusetzen. Das
deutsche Betreuungsrecht ist damit in Übereinstimmung mit den Prinzipien der BRK. Es stellt ein "System der unterstützenden Entscheidung" dar, das den betreuten Menschen bei der Ausübung seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit unterstützt. Der Vorrang der Unterstützung vor der Vertretung ("Assistenzprinzip") ist integraler Bestandteil des Betreuungsrechts.
Ergänzt wurde diese Darstellung des Betreuungsrechts durch die Stellungnahme "Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe". Deren Grundaussagen sind:
- Die Umsetzung der Rechte und Leistungsansprüche von Menschen mit Beeinträchtigung / Behinderung erfolgen häufig nicht so, wie es vom Gesetzgeber beabsichtigt ist.
- Oft werden Betreuungsverfahren nur deshalb angeregt sowie rechtliche Betreuer bestellt, um Menschen mit Beeinträchtigung / Behinderung zu unterstützen bzw. zu vertreten, ihre sozialrechtlichen Leistungsansprüche geltend zu machen und durchzusetzen.
- Wesentliche Ursachen für häufiges Nichteinhalten der sozialen Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung / Behinderung liegen darin, dass das Sozialrechtssystem hoch komplex und stark gegliedert ist.
- Der BGT begrüßt Überlegungen und Vorschläge zur Weiterentwicklung des Sozialrechts, die darauf zielen, die Rechtsanwendung einfacher zu gestalten und regelmäßig zu einer schnellen, personenorientierten, teilhabe- und bedarfsgerechten sowie ganzheitlichen Leistungserbringung führen.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit waren die Stellungnahmen zu den Novellierungen der Psychisch-Krankengesetze der Länder. Dazu trifft sich seit April 2012 die AG "Zwangsbehandlung" unter Leitung von Volker Lindemann. Die hat im zurückliegenden Jahr Stellung genommen zum saarländischen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterbringungsgesetzes, zum Gesetzentwurf der schleswig-holsteinischen Landesregierung zur Änderung des Psychisch-Kranken-Gesetzes und des Maßregelvollzugsgesetzes, zum Entwurf eines PsychKHG Baden-Württemberg und – gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie – zu den Behandlungsregelungen im Gesetzentwurf der Staatsregierung des Landes Sachsen zur Änderung des SächsPsychKG.
Die Grundaussagen sind dabei: Die Behandlung eines einwilligungsunfähigen Untergebrachten gegen dessen natürlichen Willen (Zwangsbehandlung) kommt nach dem BVerfG nur zum Schutz des untergebrachten Menschen vor einer Selbstgefährdung in Betracht. Eine Fremdgefährdung vermag eine Zwangsbehandlung dage-gen nie zu rechtfertigen.
Wie die Unterbringung muss auch die Zwangsbehandlung des untergebrachten Menschen zum Schutz vor einer Selbstgefährdung dabei auf die Behandlung der so genannten Anlasserkrankung und auf die Verhinderung von Lebensgefahr und erheblichen gesundheitlichen Schäden beschränkt sein.
Die zwangsweise Behandlung anderer Erkrankungen in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sollte wegen deren begrenzter Funktion – außer in Notfällen – nach betreuungsrechtlichen Regeln gehandhabt werden. Abgesehen von der Frage landesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz wird dadurch in jedem Fall einer lebensbe-drohlichen oder erheblich gesundheitsschädlichen Begleiterkrankung der Einsatz eines Betreuers und der damit verbundene Vorteil einer zusätzlichen Vertrauensperson gewährleistet.
Bundes-BGT
Der 14. Betreuungsgerichtstag vom 20.-22. November 2014 beschäftigte sich unter dem Titel "Wunsch und Wille der Betroffenen" mit der Umsetzung der UN-BRK im Betreuungsrecht. Ein besonderes Gewicht hatte dabei die Frage der unterstützten Entscheidungsfindung und des barrierefreien Zugangs zu Sozialleistungen.
Am Schluss der dreitägigen Veranstaltung, die von 400 Personen besucht wurde, erhielten zwei Projekte den BGT-Förderpreis im Gedächtnis an Lothar Kreyssig: Das Projekt "Ich sorge für mich! – Vollmacht in leichter Sprache" ist ein Beratungskonzept des Betreuungsvereins von "Leben mit Behinderung" in Hamburg. Es befähigt behinderte Menschen, ihren Willen bezüglich ihrer rechtlichen Vertretung durch eine Vollmacht auszudrücken. Das Projekt "Verbesserung der sozialen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund im System der rechtlichen Betreuung" ist ein ganzheitliches Konzept des Betreuungsvereins "Migranten in Aktion (MiA e.V)" aus Hamburg. Es bezieht das jeweilige Umfeld der assistenzbedürftigen Menschen mit ein, um sie in ihren eigenen Rechten und Chancen für ein selbstbestimmtes Leben zu stärken.
Regionale Tagungen
Der 27. BGT West beschäftigte sich am 18. Februar 2014 in der Ev. Fachhochschule Bochum mit dem Thema "Wahrung der Würde alter Menschen" und griff damit ein gesellschaftlich höchst aktuelles Thema auf. Erörtert wurden Möglichkeiten des Verbraucherschutzes im Pflegeheim und Konsequenzen und neue Wege für die Betreuungspraxis.
Der 10. Badische BGT am 11. April 2014 in Freiburg wurde durch ein Grußwort von Justizminister Rainer Stickelberger eröffnet. Thomas Klie referierte zu den Perspektiven advokatorischer Begleitung zwischen An-spruch und Wirklichkeit. Klaus Gölz beschäftigte sich mit der Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde und den Grenzen der Betreuungsvermeidung.
Auch der 7. BGT Mitte am 26. Juni 2014 in Kassel legte seinen Schwerpunkt auf das neue Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde. Volker Lipp referierte über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Betreuungsrecht. Ein weiteres Thema waren die bisherigen Erfahrungen mit der Neuregelung der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung.
Wichtig für die Entwicklung des Betreuungswesens waren im Jahr 2014 auch weiterhin die regelmäßigen Treffen des "Kasseler Forums", zu dem wir die Verbände im Betreuungswesen eingeladen haben. Die Gruppe beschäftigte sich in diesem Jahr mit Assistenzmodellen innerhalb und außerhalb der Betreuung.
Weltkongress Betreuungsrecht
Der erste Weltkongress für das Betreuungsrecht hat 2010 in Yokohama, der zweite Weltkongress 2012 in Melbourne, der dritte Weltkongress im Mai 2014 in Arlington, USA, stattgefunden. Die bisherigen Veranstalter des Weltkongresses haben den BGT gebeten, den Weltkongress 2016 in Deutschland zu veranstalten. Der Weltkongress Betreuungsrecht / World Congress on Adult Guardianship wird vom 14.-17.September 2016 in Erkner stattfinden. Er beginnt am Mittwochmittag bis Freitagmittag mit einem deutsch-englischsprachigen Teil und wird von Freitagmittag bis Samstagnachmittag als deutschsprachiger Betreuungsgerichtstag fortgesetzt. Das Programm wird allen BGT-Mitgliedern rechtzeitig zugesandt.
Vorankündigungen 2015:
- 10. Württembergischer BGT
Selbstbestimmung grenzenlos!?
06. März 2015 in Esslingen - 28. BGT West
Betreuungsvermeidung nein danke – ja, bitte! ..
18. März 2015 in Bochum - 12. BGT Nord
24.-26. September 2015 in der Katholischen Akademie Stapelfeld bei Cloppenburg - 5. Bayerischer BGT
27. Oktober 2015 in Nürnberg
Vorankündigung 2016:
Weltkongress Betreuungsrecht / 4th World Congress on Adult Guardianship
14.-17. September 2016 in Erkner
Das aktuelle Programm der Tagungen sowie alle unsere Stellungnahmen finden Sie unter www.bgt-ev.de.
Seit einigen Jahren machen wir unseren Mitgliedern das Angebot, bei Erreichung des Rentenalters eine Ermäßigung des Mitgliedsbeitrags auf 30 Euro pro Jahr zu beantragen. Immer mehr Mitglieder machen davon Gebrauch. Wir freuen uns, langjährige Mitglieder auch weiter zu unserem Mitgliederstamm zählen zu dürfen!
Wir hoffen, dass es Ihnen auf unseren Veranstaltungen im Jahr 2014 gefallen hat. Ein herzliches Dankeschön an alle, die bei der Vorbereitung der Tagungen und der Abfassung unserer Stellungnahmen engagiert waren. Besonderer Dank gilt hier den langjährigen Vorstandsmitgliedern Brunhilde Ackermann und Volker Lindemann!
Wir wünschen Ihnen erholsame Feiertage und für das Jahr 2015 weiterhin alles Gute für Ihre engagierte Arbeit im Betreuungswesen!
Peter Winterstein Karl-Heinz Zander
Vorsitzender Geschäftsführer