Jahresrundbrief 2019/2020

BGT-Mitglieder-Rundbrief zum Jahreswechsel 2019/2020

 

Liebe BGT-Mitglieder,

die Zeiten im Betreuungswesen sind spannend. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten die Parteien das Betreuungsrecht zu modernisieren. Wörtlich heißt es dort: "... wir wollen den Vorrang sozialrechtlicher Hilfen vor rechtlicher Betreuung, die Qualität der Betreuung sowie Auswahl und Kontrolle von Betreuerinnen und Betreuern, das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen (‚Unterstützen vor Vertreten‘) sowie die Finanzierung der unverzichtbaren Arbeit der Betreuungsvereine in Zusammenarbeit mit den Ländern stärken."

Das Ministerium hat für dieses Reformvorhaben einen breit angelegten Diskussions- und Beratungsprozess initiiert. Praktiker und Wissenschaftler, die Berufsverbände der Betreuer, die Landesjustiz- und Sozialministerien, Vertreter der örtlichen und überörtlichen Betreuungsbehörden, der BGT als einziger Fachverband im Betreuungswesen und zum ersten Mal auch Betroffene und Selbstvertreter haben in konstruktiver Atmosphäre unter dem Titel "Selbstbestimmung und Qualität im Betreuungsrecht" Ideen und Vorschläge entwickelt.

Der BGT war in diesem Reformprozess sehr präsent und brachte sich mit viel Manpower in alle Facharbeitsgruppen ein. Zehn Vorstandsmitglieder und weitere BGT-Mitglieder wirkten in den vier Facharbeitsgruppen mit.

Wir finden, dass das Bundesministerium für Justiz- und Verbraucherschutz (BMJV) den Diskussionsprozess beherzt und engagiert vorangetrieben hat und wir hoffen nun, dass die Reform des Erwachsenenschutzrechtes auch in Gesetzesänderungen mündet, die die Rechte der Betroffenen nachhaltig stärkt und die Qualität in der Betreuung auf ein neues Niveau hebt.

Nun sind auch die Landesministerien gefragt. Unser Appell an die Justizministerien und Sozialministerien: Reden Sie miteinander, nicht übereinander und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen für verlässliche Rahmenbedingungen und Finanzierungen der Institutionen. Nur so können die angestrebten Reformen auch zum Erfolg geführt werden.

Auch das Bundesteilhabegesetz erfordert ein miteinander reden zwischen Sozialressort und Justiz. Am 13. März im historischen Ständehaus in Kassel haben wir versucht eine Initialzündung für diesen gemeinsamen Dialog auszulösen. Zusammen mit dem Deutschen Sozialgerichtstag und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege führten wir einen gemeinsamen Fachtag unter dem Titel "Selbstbestimmung an der Nahtstelle zwischen Betreuungsrecht und Sozialrecht". Bleibt die Teilhabe auf der Strecke? durch. Die Dokumentation und die Abschlusserklärung finden Sie hier.

 

Vergütungserhöhung: Mehr Anerkennung für rechtliche Betreuung

Über viele Jahre haben wir uns sehr für eine zuverlässige Finanzierung der Querschnittstätigkeit der Betreuungsvereine und eine Betreuervergütungserhöhung eingesetzt. Im Frühjahr brachten wir uns nochmals als Sachverständige in den Rechtsausschüssen des NRW-Landtags und des Bundestags ein.

Am 27. Juli 2019 traten die Neureglungen zur Vergütung der beruflichen Betreuung nach jahrelangem Ringen nun endlich in Kraft. Wir finden, das ist ein erster und wichtiger Schritt. Die Politik erkennt an: Die rechtliche Betreuung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Berufliche Rechtliche Betreuung beschränkt sich nicht auf die bloße Verwaltung vom Schreibtisch aus. Sie kann auch nicht von jedem übernommen werden, der seine Angelegenheiten selbst regeln kann. Sie ist, wenn sie qualitätsvoll und damit pflichtgemäß ausgeübt wird, eine komplexe Aufgabe. Erstmals erkannte der Gesetzgeber auch die Tarifbindung der Vereinsbetreuer an.

 

Stellungnahmen und Pressemitteilungen

In einem vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren bat uns das Gericht, eine Stellungnahme abzugeben. Grundsätzliche Frage: Kann eine ambulante Zwangsbehandlung im Vergleich zur stationären Behandlung in Einzelfällen der geringere Eingriff sein und ist deshalb die Vorgabe in § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB mit der Verfassung vereinbar? Wir meinen, dass man es bei der Zwangsbehandlung im stationären Rahmen belassen muss. Eine Ausweitung auf den häuslichen Bereich oder den Bereich von Einrichtungen der Pflege oder Eingliederungshilfe sollte unserer Auffassung nach nicht angestrebt werden. In diesen Einrichtungen gibt es keine (einheitlichen) Standards für die ärztliche Versorgung. Unsere Argumentation haben wir in einer Stellungnahme veröffentlicht. Alle unsere Positionen, Pressemitteilungen und Stellungnahmen finden Sie hier.

 

Unterwegs in neuen Galaxien

2019 war ein Jahr, in dem wir mit unseren Betreuungsgerichtstagen sehr stark in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik präsent waren.

Auf dem 14. BGT Nord in Hamburg, dem 32. West-BGT in Bochum, dem 7. Bayerischen BGT in München, dem 12. BGT Mitte in Kassel sowie dem 6. BGT Sachsen-Anhalt in Halle und allen anderen Veranstaltungen haben wir etwa 1200 Personen erreicht. Wir hoffen, so einen Beitrag zur Vernetzung, Qualitätssicherung und Fortbildung in der Landschaft der Rechtlichen Betreuung geleistet zu haben. Die beiden Traditionsveranstaltungen Badischer BGT und Württembergischer BGT fusionierten zum einheitlichen BGT Baden-Württemberg. Im Frühjahr tagte der 1. BGT Baden-Württemberg in Herrenberg über zwei Tage unter dem Titel Unterwegs in neuen Galaxien. Thematisch boten alle Tagungen eine große Vielfalt. Im Schwerpunkt beschäftigten wird uns überall mit den bevorstehenden Reformen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich bei der Vorbereitung der Tagungen und der Abfassung unserer Stellungnahmen engagiert haben.

 

Unsere Veranstaltungen in 2020/2021

  • 33. West-BGT am 17.03.2020 in Bochum: Reformprozess, was kommt auf uns zu?
  • 13. BGT Mitte am 02.07.2020 in Kassel
  • 17. Bundesweiter BGT vom 19.11. bis 21.11.2020 in Erkner: Redet mit uns!
    Unsere zentrale bundesweite Veranstaltung wird vom 19.11. bis 21.11.2020 wieder vor den Toren Berlins in Erkner stattfinden. Wir erwarten etwa 400 Vertreter aus der Fachwelt und der Politik. Im Mittelpunkt steht die Reform. Wir versuchen auch Selbstvertreterinnen, Psychiatrie-Erfahrene und Betroffene an unseren Diskussionen zu beteiligen. Unser Motto: "Redet mit uns". Eine Anmeldung ist ab Frühjahr 2020 möglich.
  • 2. Deggendorfer Betreuungsgerichtstag im Oktober 2020
  • 2. Baden-Württembergischer BGT vom 25. bis 26. März 2021 Herrenberg

 

 

Neu: BGT Förderpreis unterstützt Theorie und Praxis

Auf dem bundesweiten Betreuungsgerichtstag 2020 vergeben wir erstmals den BGT-Förderpreis in zwei Kategorien: Dem BGT-Projektpreis und dem BGT-Forschungspreis. Ausschreibungsunterlagen finden Sie hier.

 


Wir wünschen Ihnen geruhsame Feiertage und alles Gute für 2020.

 

Peter Winterstein                             Elmar Kreft

Vorsitzender                                        Geschäftsführer