LT 4: Schritt für Schritt zu mehr Ehrenamt

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Helma Bertgen und Theo Peters vor der mobilen Infowand des Betreuungsvereins.

Mehr als eine Millionen Menschen werden in Deutschland rechtlich betreut. In 60 Prozent der Fälle übernehmen Ehrenamtliche, häufig die eigenen Angehörigen, dieses Amt. Sozial engagierte Bürgerinnen und Bürger sind gefragt, denn beruflich tätige Betreuer dürfen aus Kostengründen nur nachrangig eingesetzt werden. Ehrenamtler für ihre Tätigkeit zu qualifizieren, sie in schwierigen Situationen zu stärken und vor allem neue engagierte Kräfte zu finden, ist die Aufgabe von Betreuungsvereinen - eine Aufgabe mit der sie vielerorts allein gelassen sind. Jeder zehnte Verein erhält keine öffentliche Förderung für den gesetzlichen Auftrag engagementbereite Menschen anzusprechen und zu binden. In Bundesländern wie Bayern oder Brandenburg, gehen engagierte Vereine gleich ganz leer aus1. Das wirkt sich auf die Arbeit mit Ehrenamtlichen aus, die dann vor allem über die Vergütung der Berufsbetreuer finanziert werden müsse, kritisiert Wolf Crefeld vom Vormundschaftsgerichtstag e.V.

 

Betreuungsvereine optimieren ihre Arbeit

Wie neue Ehrenamtler zu gewinnen und zu halten sind, zeigen die Initiativen und kreativen Ideen beispielsweise im Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve. Theo Peters und Helma Bertgen, hauptberuflich bei der Diakonie angestellt, haben bisher 300 Ehrenamtler gewinnen können. Zahlreiche Instrumente haben sie in den vergangenen Jahren entwickelt, die ihnen bei der Akquise helfen. Mit der persönlichen Ansprache von Menschen, die bereits ehrenamtlich betreut haben, hat Peters die beste Erfahrung gemacht. „Viele Betreuungen finden in der Familie statt. Wenn der Betreute stirbt, warten wir ein halbes Jahr. Dann sprechen wir die Angehörigen an, ob sie bereit wären, wieder eine ehrenamtliche Betreuung zu übernehmen.“ In drei von zehn Fällen engagieren sich die Angesprochenen weiter, erklärt Theo Peters.

 

Ehrenamtliche machen Ehrenamtliche stark

Eine DVD über ehrenamtliche Betreuung soll in Freiwilligenzentren, Selbsthilfegruppen und Kirchengemeinden Ehrenamtliche werben (oben: Screenshot aus der DVD).

Als besonders erfolgreich hat sich auch der Aufbau einer Projektgruppe erwiesen. Unter dem Motto „Ehrenamtliche machen Ehrenamtliche stark“ helfen sechs engagierte Frauen und Männer bei der Gewinnung von neuen Betreuern. Als erstes Projekt wurde eine 2 x 4 Meter große Stellwand entwickelt (Hintergrund Bild oben). Seit Dezember 2005 wandert sie durch städtische Einrichtungen, Sparkassen oder Gemeindeinstitutionen im Kreis Kleve und wirbt für die ehrenamtliche Betreuung. Die Projektgruppe kümmert sich um den Auf- und Abbau und akquiriert neue Standorte. „Seit der Präsentation und den häufigen Berichten in der Zeitung über die Stellwand wächst die Nachfrage an Beratungen und Informationen über das Ehrenamt“ so Peters.

Neuestes Projekt der Gruppe ist der 45-minütige Film „Stark für andere“. In nachgespielten Szenen wird gezeigt, welche Aufgaben ein rechtlicher Betreuer übernimmt. Die Dokumentation, die komplett in Eigenregie erstellt wurde, soll in Kirchengemeinden, Selbsthilfegruppen oder Freiwilligenzentren gezeigt werden. Als neues Medienprojekt plant die rührige Gruppe eine Aktion mit dem Lokalradio.

 

Eine weitere Anregung:

Porträts in der Zeitung

Den Machmits aus Hildesheim half eine gezielte Pressearbeit, um neue Ehrenamtliche zu gewinnen. Porträts über Betreuer und Betreute haben bei den lokalen Medien großen Anklang gefunden. Die persönlichen Berichte führten zu zahlreichen Leseranfragen und ehrenamtlichem Engagement.

Die Machmits sind ein Kooperationsverbund aus Betreuungsstelle und Betreuungsverein Hildesheim sowie des Amtsgerichts Alfeld und Elze.
Kontakt: Holger.Meyerlandkreishildesheim.de

Imagewechsel

Um mehr ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen, ist ein Imagewechsel von zentraler Bedeutung. Noch immer hafte, so Theo Peters, der ehrenamtlichen Betreuung der Ruf des Besucherdienstes an. Das soll sich ändern. „Unser Ziel ist, dass die rechtliche Betreuung gesellschaftlich so anerkannt ist wie beispielsweise Schöffendienste. Es soll schick werden, eine rechtliche Betreuung zu übernehmen“, erklärt Peters. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass sich die Ehrenamtlichen auf ein professionelles Netzwerk stützen können. Sie müssen sich gut beraten und unterstützt fühlen und die Sicherheit haben, dass ihr Arbeit und ihre Erfahrungen geschätzt werden.

 

Service und Verlässlichkeit

Marita Blömer und Andrea Weise nutzen den Neujahrsempfang zum Austausch.

Viele Betreuungsvereine bieten ihren Ehrenamtlichen Infomaterialien, Fortbildungen und Gesprächskreise an. Der Betreuungsverein der Diakonie lädt jedes Jahr zu einem Neujahrsempfang ein als kleines Dankeschön an die Ehrenamtlichen, die Zeit und Arbeit für ihr Amt aufwenden. Doch das Wichtigste sei die individuelle Beratung, so Helma Bertgen: „Auf Anfragen reagieren wir so schnell wie möglich - und wir nehmen uns Zeit“, erklärt sie.

Dieser Service und die Verlässlichkeit werden von den ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern sehr geschätzt. „Wenn ich mich auf unsicherem rechtlichem Boden bewege, werde ich schnell und umfassend beraten. Ich bekomme Tipps, bin aber doch ganz frei, in dem wie ich entscheide.“ Andrea Weise (rechts im Bild) betreut sechs Menschen im Bereich der Psychiatrie, der Behinderten- und Altenhilfe. Die ehemalige Krankenschwester kennt sich aus in der Betreuung alter, kranker und behinderter Menschen. Doch durch die komplexen Rechtslagen kommt auch sie häufig an ihre Grenzen. „Ein Anruf genügt und ich bekomme innerhalb von drei Tagen einen Beratungstermin.“ Für Marita Blömer (links im Bild) zählt auch, dass sie mal „Dampf ablassen“ kann, wenn es mal nicht so gut läuft. Sie betreut seit Jahren ihren Vater. Beide sind sich einig: Ohne die umfassende Beratung und Begleitung durch den Betreuungsverein wäre die Arbeit nicht möglich. Und die Gewissheit, dass der Betreuungsverein in schwierigen Situationen, Teilaufgaben oder ganze Fälle übernimmt, gibt ihnen ein sicheres Gefühl.

 

Es ist angerichtet

Vorsorge wird immer wichtiger im Betreuungsbereich. Deshalb hat die Diakonie einen Vorsorgetisch entwickelt. Dieser appetitliche „eyecatcher“ wird bei Ausstellungen und Infoveranstaltungen ausgestellt. Die Menükarte zum Mitnehmen, beinhaltet Informationen über Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung.

1vgl: Veröffentlichung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik,
ISG Köln: Regine Köller (Herausgeber), Dietrich Engels (Herausgeber)
Rechtliche Betreuung in Deutschland: Evaluation des Zweiten
Betreuungsrechtsänderungsgesetzes. Bundesanzeigerverlag Köln 2009, S.181ff.

Daten & Fakten

Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve

Start: 1992
Anzahl der Betreuten im Kirchenkreis Kleve: ca. 5300,
60 Prozent der Betreuungen werden ehrenamtlich geführt
Anzahl der gewonnenen Ehrenamtlichen: 300

Kontakt:
Betreuungsverein Diakonie
Theo Peters
petersdiakonie-kkkleve.de

Helma Bertgen
bertgendiakonie-kkkleve.de

Brückenstraße 4, 47574 Goch,
www.diakonie-kkkleve.de

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